VORSICHT, UNFALLGEFAHR!
Wie man Bürgerbeteiligung gekonnt „gegen die Wand fährt“.
Die Erfolgschancen breiter Beteiligung stehen und fallen mit dem Motiv der Initiatoren. Bürger haben ein sehr gutes Gespür, ob sie und ihre Anliegen ernst genommen werden, ihre Beteiligung als Bereicherung verstanden wird und sie tatsächlich Ergebnisse beeinflussen können. Für Politik und Verwaltung heißt das: Die Frage der inneren Haltung hat besonderes Gewicht.
Quelle: Bertelsmann Stiftung „WEGWEISER BREITE BÜRGERBETEILIGUNG“
- Sie haben einen Plan, für den Sie höhere Akzeptanz wollen.
- Sie betrachten Beteiligung als Alibi: Seht her, liebe Kritiker, Ihr habt doch mitreden können!
- Sie versuchen Beteiligung so zu steuern, dass Ihr Weg als der beste erscheint.
- Sie beteiligen erst, wenn das Wichtigste schon entschieden ist.
- Sie finden Beteiligung gut, aber sie darf natürlich nichts kosten.
- Sie verwechseln Beteiligen mit Informieren.
- Sie halten sich persönlich aus dem ganzen Beteiligungsstress raus.
Die Spatzen pfeifen es bereits von den Amtsdächer, in Groß Wittensee ist echte Bürgerbeteiligung in Form eines Bürgerbegehrens nicht gewünscht.
So wurde der Bürgerinitiative am 22.11.2022 mit dem Schreiben der Kommunalaufsicht die Zulässigkeit des Begehren in Aussicht gestellt. Nun hatte jede Seite die Möglichkeit dazu eine Stellungnahme abzugeben. Unsere war die nach der „korrekten“ Anzahl des Unterschriftenquorums, da diese sowohl vom Amt Hüttener Berge seinerzeit in der Presse (107 Unterschriften) als auch in dem Schreiben der Kommunalaufsicht mit dann sogar 121 Unterschriften als falsch anzusehen war. Die Anzahl der zu erbringenden Unterschriften richtet sich nach der Anzahl der Wahlberechtigten Bürger Groß Wittensee zum Zeitpunkt der letzten Kommunalwahl 2018. Dies sind 987 Wahlberechtigte, demnach waren bei unserem eingereichten Bürgerbegehren 99 Unterschriften nötig. Dieses Quorum haben wir in 10 Tagen Sammeln mit schlußendlich 129 gültigen Stimmen deutlich erreicht. Warum die Anzahl zweimal zu hoch angesetzt wurde, bleibt ein Rätsel. So sollte diese Zahl doch Seitens der Kommunalaufsicht sehr eindeutig und schnell zur Verfügung stehen. So können wir uns nur Spekulationen hingeben, da uns nach der Unterschriftensammlung durch den „Dorffunk“ zu Ohren gekommen ist, dass es ein „Angebot“ gäbe man könne auch seine Unterschrift zum Bürgerbegehren wieder zurück ziehen. Dies wäre zumindest eine Idee warum die Unterschriftenzahl zu hoch war, um das vermeintliche Ziel, das Quorum, vielleicht im Vorhinein zu Fall zu bringen?
Die Gemeinde Groß Wittensee hat über das Amt Hüttener Berge ebenfalls eine Stellungnahme abgegeben, wie sich zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich im Schreiben der Unzulässigkeit, herausstellt. In dieser Stellungnahme warf man der Initiative Irreführung vor, indem der Grad der Versiegelung des Baugebietes von uns als viel zu hoch angegeben wurde. Während unserer Unterschriftensammlung war das für alle Unterzeichnenden von keiner Relevanz, ob nun 3,9 ha versiegelt werden, oder die vollen 7 ha. Es ging immer um das Unverständnis der großräumigen Überplanung von mehreren ha Land im Außenbereich. Dies war übrigens unsere allererste Angabe in der Begründung, wurde aber in einer „Beratung“ mit der Kommunalaufsicht als „zu wenig detailliert“ angemerkt. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch der Annahme waren, dass eine Beratung bei einer Behörde noch wirklich beratende Funktion hat, haben wir diesen Passus dahingehend abgeändert. Da unserer Meinung nach mit der bloßen Aufstellung des B-Plan Nr. 17 die gesamte Fläche von 7 ha als versiegelt anzusehen ist, ist zudem dem Bodengutachten geschuldet, welches den Acker im Plangebiet als „stark verdichteten Boden“ ausweist. Unseren Widerspruch gegen den Zulässigkeitsbescheid vom 15.12.2022 des Bürgerbegehren kann man hier lesen: Widerspruch Zulässigkeitsbescheid. Unser Ansicht nach ergeht man sich hier in Wortklaubereien. Hätten wir es bei den „mehreren Hektar Land“ belassen, wäre diese Begründung wahrscheinlich ebenfalls als unzulässig erklärt worden, da „zu schwammig, ungenau“. Ja, wer das Haar in der Suppe sucht, der findet es auch. Das unser Bürgerbegehren auf keine Gegenliebe stieß, war uns schon recht schnell klar, und damit absehbar dass eine wirklich Teilhabe der Bürger an Entwicklungsprozessen innerhalb der Gemeinde somit nicht gewünscht ist, nein sogar aufs Äußerste bekämpft wird. So empfinden wir den Gemeindebrief vom Oktober 2022 in vielen Punkten als irreführend und mit leeren Versprechen bestückt. Als absolut irreal ist die Kostenschätzung des Amtes Hüttener Berge anzusehen, indem die 3.000.000 Millionen € Fördergelder als Minusgeschäft aufgeführt werden, sollte das Bürgerbegehren statt finden. Wie kann eine Maßnahme die auf Unterlassung beruht Kosten verursachen? Dies wurden wir auch häufig bei der Unterschriftensammlung gefragt, und mussten dann aufklären, dass die Kostenschätzung nicht von der Bürgerinitiative aufgestellt wurde, sondern vom Amt Hüttener Berge kam. Was aus den vermeintlichen Synergieeffekten, von denen im Gemeindebrief und der Kostenschätzung die Rede war, geworden ist sieht man an der aktuellen Kostenexplosion für das geplante Vorhaben. Diese sind nicht nur vollständig verpufft, nein es fallen tatsächlich noch hohe Erschließungskosten an. Warum hat sich die Gemeinde überhaupt für einen Investor entschieden, wenn es dadurch nicht zu deutlich sichtbaren Einsparungen kommt? Um zum Ausgangsthema zurück zu kommen, wirkliche Beteiligung in der Bauleitplanung ist in der Gemeinde Groß Wittensee absolut nicht gewünscht und wird mit allen Mitteln ausgehebelt. Einwände von Bürgern bei der frühsten Beteiligung der Öffentlichkeit, oder in Form von Anträgen in Ratssitzungen werden schlichtweg ignoriert und klein geredet. Das ein Bürgerbegehren da nur lästig ist, ist inzwischen eindeutig. Sehr wahrscheinlich hat man Angst vor dem Ergebnis, oder warum stellt man sich als Gemeinde nicht dieser direkten Art der demokratischen Teilhabe? Dies würde auf jeden Fall zu deutlich mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für die Entscheidungen der Kommunalpolitiker sorgen. So aber macht sich nur Unmut breit über die Arroganz der Macht.
Warum sich überhaupt eine Bürgerinitiative gegründet hat und warum es dann zum angestrebten Bürgerbegehren gekommen ist, ist der eindeutig verfehlten echten Teilhabe mit den Bürgern geschuldet. Hier fühlten sich viele direkte Anwohner mit ihren Bedenken übergangen, Stellungnahmen bei der Bauleitplanung wurden ausgeblendet. Z.B das Verkehrsgutachten, welches auf ein vollkommen anderes Planungsziel, nämlich einem großen Wohngebiet mit Anschluß an die B203 abzielte.
So würde es die Gemeinde lieber billigend in Kauf nehmen, eine rechtswidrige Satzung in Form eines schlecht geplanten B-Plans zu beschließen. Dem Bürger bliebe dann nur noch den rechtlichen Weg zu beschreiten, indem Anwohner die Möglichkeit nutzen den Bebauungsplan durch ein Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig überprüfen zu lassen. Das in dem Zusammenhang Selbstverwaltung und Planungshoheit der Kommune über allem stehen und auch übergeordnete Genehmigungsbehörden untätig zusehen, mutet etwas wundersam an. Immerhin gibt es Landesentwicklungspläne, Regionalpläne und selbst die eigens aufgestellte „interkommunale Vereinbarung zur wohnbaulichen Entwicklung im Amt Hüttener Berge“ wird geflissentlich ignoriert. Die Zukunftsstrategie 2.0, die die Gemeinde dabei immer wieder anführt, wurde auf der Grundlage einer Online-Beteiligung/Befragung von lediglich 4,5% der Bürger Groß Wittensees erarbeitet (54 Bürger), und stellt somit in in keiner Weise ein repräsentatives Ergebnis dar, worauf man eine in die Zukunft gerichtete Dorfentwicklung aufbauen sollte. Da waren ja unsere 10% Unterschriftenbeteiligung beim Bürgerbegehren faktisch mehr als doppelt so aussagekräftig, in welche Richtung sich das Dorf auch entwickeln könnte, wenn denn Bürger mal ernsthaft gefragt würden.
Wer übernimmt nun Verantwortung für spätere negative Folgen dieser massiven Überbauung unter denen dann die Anwohner, die Umwelt und nicht zuletzt auch die kommenden Generationen zu leiden haben? Warum werden in der Gemeinde Groß Wittensee die wirtschaftlichen Interessen eines einzelnen Investors über das Gemeinwohl gestellt? Ach ja, es geht ja um Millionengewinne. Da nutzen auch die hehren Absichten nicht, auf der Internetseite des Amtes Hüttener Berge extra eine Beteiligungsplattform einzurichten mit folgendem Wortlaut: „Die frühzeitige Einbindung und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in kommunale Entscheidungsprozesse ist uns als Amt Hüttener Berge mit seinen 16 Gemeinden ein großes Anliegen.“
Papier ist geduldig, das Internet ebenfalls. Da nützen auch die gläsernen Fensterfronten des neuen Amtserweiterungsbaus Hüttener Berge für mehr Transparenz nichts. Fehlende Mitwirkungsrechte und Intransparenz bei Bauvorhaben sind eben nicht geeignet das Vertrauen der Bürger in Politik und Verwaltung zu stärken.
Wie schreib es bereits Christian Morgenstern in seinem Gedicht „die unmögliche Tatsache“: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.